Simonato Special

Simonato Special

Ich habe vor einigen Jahren für meine Freundin Bettina ein rotes Milanetti organisiert. Ein kleiner, roter Trapezrahmen, originale Lackierung, mit weißem Lenkerband, ein bildhübsches Fahrrad. Sogar die Ausstattung war mit einer Shimano 6208 bemerkenswert.

Milanetti 1986
Milanetti 1986

Shimano hatte 1982, nach all den AX-Aero-Eskapaden und den psychedelischen EX-Verzierungen, mit dem Vorgänger, der 6207 einen neuen, cleanen Schaltungsklassiker geschaffen. 1985, veränderte Shimano schließlich mit der Dura Ace 7400, der ersten funktionierenden professionellen indexierten Kettenschaltung, die Welt für immer. Diese Schaltung überzeugte auch mich, durch ein sauberes „form follows function“-Design.

1986 folgte dann die 6208, als 600 Shimano Index System (SIS) für den anspruchsvollen Amateur. Auch diese Schaltung verfügte, wie die Dura Ace 7400, ebenfalls über ein schräges Parallelogramm und eine funktionierende Indexierung. Natürlich gab es dazu von Shimano die volle Grouppo, also Bremsen, Pedale, Kettenblatt und alles was man sonst noch so für das ambitionierte Rennrad brauchte. Einer der echten Meilensteine für Shimano, um in den nächsten Jahren die Konkurrenz weiter vor sich her zu treiben, um dann, ab 1990, mit dem Untergang von Suntour, die Weltherrschaft über die Industrie der Fahrradteile zu erringen. Ich persönlich habe die Gestaltung dieser Schaltung, im Gegensatz zur Dura Ace 7400, nie besonders gemocht, muss mich aber auch hier dem Shimano-Imperativ beugen: schließe deine Augen und lass es funktionieren.

Shimano 1986
Shimano 1986

Meine Frau war etwas genervt. Sie kurvte mit einem schlecht überlackierten Vicini-Trapez herum, und musste außerdem noch auf den Komfort einer indexierten Schaltung verzichten. Meiner Meinung nach war ihre Suntour Cyclone MK II natürlich die erste Wahl, vor alllem was das Gewicht von 136 Gramm betraf, aber das interessiert bekanntlich nur Nerds und Leichtbau-Freaks. Ich war also herausgefordert etwas besonderes, mit einer ähnlichen Rahmengeometrie aufzutreiben.

Zur Geometrie dieser „Damen-Räder“ sollte man eventuell noch ein Wörtchen verlieren. Alle diese Rahmentypen haben gegenüber den klassischen Diamantrahmen ein abgesenktes Oberrohr um den Einstieg und die Fahrt mit Rock und, oder Mantel zu erleichtern. Nun hat dieses Konstruktionsprinzip einen Nachteil, das Sattelrohr wird geschwächt. Das ist aber, zum Glück, bei leichten Fahrer/innen nicht wirklich problematisch. Konstruktiv kann man da mit einer weiteren Kettenstrebe, also der Verlängerung des Oberrohrs entgegenwirken. Diese, dann als Anglaise bezeichneten Rahmen, sind zwar stabiler, aber meines Erachtens nicht so schick. Das gleiche gilt für den Mixte, der dazu noch ein geteiltes Oberrohr besitzt.

Um etwas gleichwertiges aufzutreiben, also einen Trapezrahmen ohne die besagte Verlängerung des Oberrohrs, machte ich mich also vor zwei Jahren auf die Suche in den Kleinanzeigen.

Natürlich dauerte es nicht lange, denn immer wenn einem etwas in den Sinn kommt, liefert eBay das passende Angebot. In Stuttgart bot sich ein Simonato Special, in Metallic Grün, voll unterverchromt, Baujahr vermutlich vor 1982. Die Zugführung für die Schaltung lag über dem Tretlagergehäuse, der Rahmenbauer, Oscar Simonato starb 1983 bei einem Autounfall, mehr Drama ist kaumm möglich, für einen italienischen Rahmen. Auf der Seite von Holczer-Radsport fand ich einige Informationen zu Simonato. Holczer war einer der ersten Importeure von Simonato Rahmen aus Treviso in Italien, Mitte der 70er-Jahre, wo auch die legendären Pinarello Rahmen gebaut wurden. Durch den frühen Tot von Oscar Simonato existieren schlichtweg wenige originale Rahmen von diesem begnadeten Löt-Künstler und das macht dieses Rad, da es von den besagten Trapez-Rahmen noch weniger gibt als von konventionellen Rennrädern, zu etwas sehr besonderem. Neu verkauft wurde das Special von Radsport Wolbold, in der Riederstr. 8 in Stuttgart. Auch so ein Nerdgeschäft, dass bis heute existiert. Die verstehen sich als „kulturpolitische Initiative“ (sollten aber mal einen Profi mit ihrer Internetseite betrauen) und haben diesen wunderschönen Rahmen damals auch ohne Kompromisse, aber dennoch kostenbewusst aufgebaut. Mit geklebten Reifen, Trainingsbügel, Lenkerendschalthebeln und einer psychedelischen 600 EX. Ich habe mir 1983 selbst mein erstes Rennrad gekauft, konnte mir damals aber keine 600 EX von Shimano, geschweige denn eine Dura Ace leisten. Es reichte für mich, als mittellosen Abiturienten, nur für eine Suntour AR, zum Glück war mir das damals egal. Ich folgte dem Rat von Eddy Merckx: „It‘s all in your legs“.

Simonato Special
Simonato Special

Für meine Frau habe ich versucht, das Fahrrad etwas alltagstauglicher zu gestalten, den öden, und zu kurzen SR Vorbau ersetzt, mit einem schöneren und längeren TTT. Die, für Anja ungewohnten Schalthebel habe ich wieder ans Unterrohr verlegt. Außerdem waren Laufräder mit Schläuchen und Schutzbleche fällig. Alles andere habe ich nur gereinigt und neu gefettet. Den Modolo Bremshebeln habe ich neue Gummis spendiert und ein neues Lenkerband gewickelt.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen und Anja fühlt sich auf dem neuen Rad, das nur 10,2 Kilo wiegt an jedem Berg und jeder Ampel beflügelt.


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