Eigentlich wollte ich an diesem Tag kein Fahrrad kaufen. Doch am frühen Morgen bekam ich eine Threema-Nachricht von Matthias: Fahrradgestell zu verkaufen, auf kleinanzeigen.de in der Waisenhofstraße in Kiel. Ein polierter Wilier Triestina Rahmen aus Stahl, ohne Muffen, mit Campa-Cantilever-Bremsen, aber ohne Laufräder. Ich überprüfte die weiteren Angebote des Verkäufers: zwei weitere Räder, ein Dave Lloyd (nie gehört) und ein Bierdosen-Alu-Rennrad von Scott ohne Sattel.
Wenn Leute „Fahrradgestelle“ inserieren, ist das immer ein untrügliches Zeichen dafür, dass es an Sachverstand mangelt und man eventuell ein gutes Geschäft machen kann. Ich war jedoch etwas skeptisch. da ich vermutete, dass es sich bei dem Wilier um ein langweiliges 90er-Jahre-Mountainbike mit 26-Zoll-Laufrädern handelte, Preisvorstellung 220 Euro, wohlgemerkt ohne Laufräder. Um Matthias einen Gefallen zu tun, vereinbarte ich trotzdem einen Termin, vielleicht auch aus sentimentalen Gründen, da ich unweit der angegebenen Adresse während meiner Studienzeit gewohnt hatte. Wie dem auch sei, ich holte den Saab aus der Garage und machte mich auf den Weg.
Pünktlich angekommen ließ ich mir das Wilier zeigen und bat den Verkäufer gelangweilt, auch das Lloyd aus dem Keller zu holen. Zwar hatte es nicht meine Rahmenhöhe, aber ich musste mich trotzdem bemühen, nicht zu aufgeregt zu wirken. Top gepflegt, Campagnolo Record dreifach Kurbel, Racing-T Umwerfer, Chorus 10-fach Schalthebel und Schaltung mit langem Käfig und Mavic Open Pro CD Ceramic Laufräder. Das Ganze wog 8,9 Kilo und hatte einen Brooks-Vitesse-Sattel, made in England.
Das Wilier war ein 28er Cross-Bike, 7,5 Kilo ohne Räder, also auch ein Top-Rahmen. Ich zog mein ganzes Bargeld aus der Tasche und legte die beiden Räder so schnell wie möglich in den Kofferraum meines Autos.
Ich habe das Wilier jetzt zu Hause mal probehalber zusammen gesteckt, mit einem gelben Turbo und ein paar H-Son TB 14 Laufrädern mit 7300er Dura Ace AX Naben mit 6-fach UG Rotor. Fährt sich wie auf Wolke sieben ;-). Als seltsame Fußnote sei daran erinnert, dass Wilier aus Triest bis 1906 ebenfalls eine eigentlich britische Fahrradmarke war. So scheinen sich hier in dieser Geschichte einige Kreise zu schließen.
Wer war Dave Lloyd?
Zu Hause recherchierte ich erstmal und stellte fest, dass Dave Lloyd, ein ehemaliger Profifahrer, unter Anderem von 1973 bis 76 bei TI-Raleigh Wasserträger für Didi Thurau, sein Handwerk bei Harry Quinn gelernt hatte. Ebenso wie Quinn ist Lloyd Waliser. Lloyd baute nur 13 Jahre lang Rahmen und es gibt nur etwa 1750 Stück davon. Das berühmteste ist wohl das Concept 90, ein muffenloser Rahmen mit Sloping-Geometrie.
Mein Rahmen ist ein 753 mit Muffen und ohne Sloping und ohne Schnickschnack. Pumpenhalter, zwei Bohrungen für Flaschenhalter und eine Unicrown-Alugabel von Kinesis, mit Steuersatz, Vorbau und Tretlager nur 2700 Gramm, also so leicht wie damals möglich und vermutlich Anfang bis Mitte der 90er Jahre gelötet.
Hier noch einige weitere Links mit Infos zu Dave Lloyd:
https://pezcyclingnews.com/interviews/retro-pez-talk-dave-lloyd/
https://alchetron.com/Dave-Lloyd-(cyclist)
Dave Lloyd Concept 90 Der ReCyclist Becker Tobias & Fischer Fabian GbR